Projekt Beschreibung

05.10.2021

Der Begriff „Luxus“ ist bei uns meist negativ besetzt. Aber ist Luxus per se unmoralisch oder kann er sogar nachhaltig sein? Wir haben mit Fernando Fastoso, Professor für Luxus und High-Value Brands an der Hochschule Pforzheim, gesprochen.

Teure Uhren gehören zum Luxusmarkt dazu

STREIFZUG: Im deutschen Raum wird Luxus meist als Verschwendungund Überfluss empfunden. Ist das in anderen Kulturen anders?

FASTOSO: Der Duden definiert Luxus als „kostspieliger, verschwenderischer, den normalen Rahmen der Lebenshaltung übersteigender, nur zum Vergnügen betriebener Aufwand“. Das ist eine außergewöhnlich einseitige und negative Definition. In anderen Sprachen wird der Begriff viel ausgeglichener wahrgenommen. Beispielsweise steht Luxus in den romanischen Sprachen für Prunk, aber auch für Genuss und Schönheit. Im Englischen kann er auch Komfort und Leichtigkeit bedeuten. An der deutschen Definition von Luxus ist dagegen nichts Schönes oder Positives zu finden.

Shopping, Shopping. Viele Dinge, die wir kaufen, brauchen wir nicht.

STREIFZUG: Was bedeutet für Sie persönlich Luxus?

FASTOSO: Als Wissenschaftler, der sich mit dieser Thematik beschäftigt, verstehe ich Luxus im Sinne eines Luxusproduktes oder Dienstleistung. Also als Produkt, das sich durch hervorragende Qualität zu einem hohen Preis, Rarität, Ästhetik und Authentizität auszeichnet. Im persönlichen Bereich kann das aber auch der Genuss einer Tasse Espresso an einem besonders vielbeschäftigten Tag sein. Luxus als Begriff ist nicht eindimensional zu sehen, sondern hat verschiedene Ebenen.

Ein Oldtimer gehört zum Luxusgut

STREIFZUG: Wie kann Luxus per se „nachhaltig“ sein? Kann man dieses Prädikat, mit dem
sich immer mehr Luxus-Labels schmücken wirklich ernst nehmen oder ist es nur noch eine Marketing-Strategie?

FASTOSO: Luxusprodukte sind per Definition nachhaltig im Sinne ihrer Langlebigkeit, da sie mit hochwertigen Materialien verarbeitet und im Design zeitlos sind beziehungsweise sein sollten. Dazu kommt, dass sie in der Stückzahl limitiert sind. Eine Luxus-Handtasche brauchen Sie nicht zweimal Mal im Jahr zu wechseln, denn durch ihr zeitloses Design bleibt sie für eine lange Zeit stilvoll. Somit ist ein solcher Kauf nachhaltig.

Bei Nachhaltigkeit geht es aber auch um soziale Nachhaltigkeit, also um Werte wie Inklusion oder Fairness im Herstellungsprozess. Diesen Themen haben sich viele Luxusmarken verschrieben. Damit reagieren die Unternehmen auf den immer stärker werdenden Druck von insbesonders jungen Konsumenten, die immer häufiger nach einem „Purpose“ bei den Marken, die sie kaufen, suchen. Viele sehen solche Bemühungen bei Marken im allgemeinen als „Greenwashing“ – und manchmal zu Recht so. Jedoch leben wir heute in einer digitalisierten Welt, in der Verstöße gegen solche Prinzipien zumeist schnell an die Öffentlichkeit gelangen.

Die Modemarke Louis Vuitton ist zum Inbegriff für Luxus geworden.

STREIFZUG: Wie demokratisch kann Luxus sein, wenn ihn sich nicht jeder leisten kann? Oder anders gefragt: Ist Luxus nur nachhaltige Qualität für die privilegierten „oberen Zehntausend“?

FASTOSO: Luxusprodukte sind per Definition auch hochpreisig. Die „oberen Zehntausend“ stellen aber nur eine Minderheit aller Luxuskonsumenten dar. Stattdessen sind Luxusmarken heute viel stärker auf die aufstrebenden Mittelschichten als Zielgruppe fokussiert. Also auf Menschen, die sich zu besonderen Anlässen ein Luxusprodukt gönnen und darauf hinsparen.

Wie viel Luxus brauchen wir?

STREIZUG: Ist Luxus “Sozialökonomische Ungerechtigkeit“? (im Gedanken an Samuel Mumms Stiefeltheorie über die sozialökonomische Ungerechtigkeit)

FASTOSO: Luxusprodukte sind mit Sicherheit Annehmlichkeiten und keine Notwendigkeiten. Nur ein Teil der Bevölkerung kann sich eine teure Luxushandtasche oder ein Luxusauto leisten. Allerdings ist das genauso bei Nicht-Luxusprodukten. Mein Eindruck ist, dass Luxusprodukte im Deutschen als Inbegriff des Überflüssigen und Verwerflichen an unserer Konsumgesellschaft angesehen werden. Sind Luxusprodukte notwendig? Keinesfalls. Aber genauso nicht-notwendig sind für die meisten von uns das neueste Handy oder ein fünftes Paar Turnschuhe von bekannten Nicht-Luxusmarken.

Diskussion Konsumgut versus Luxusgut. Wie viel Schuhe braucht man?

STREIZUG: Hat die Pandemie die Wahrnehmung von Luxus verändert? Wenn ja, wie?

FASTOSO: Es ist zu früh, um das festzustellen, da die Pandemie bei uns im Westen noch andauert. Das Beispiel China zeigt, dass bei Konsumenten nach der Aufhebung vom Lockdown im Sommer 2020 wieder „business als usual“ herrschte. Also erholten sich Umsätze sehr schnell wieder, und Konsumenten haben das nachgeholt, was sie während des Lockdowns an Luxusausgaben „verpasst“ hatten. Im Westen dagegen leiden wir weiterhin an den Folgen der Pandemie, so dass ein Umdenken in Richtung weniger aber dafür ausgesuchterer Luxus wahrscheinlicher ist.

Fernando Fastoso ist seit 2020 Professor für Luxus und High-Value Brands an der Hochschule Pforzheim

Über Fernando Fastoso:

Fastoso wuchs in Uruguay auf und studierte in Düsseldorf und Newcastle Betriebswirtschaftslehre. Bis 2020 war er als Hochschullehrer für Marketing an der Universität Bradford und später an der Universität York tätig. Seit dem Wintersemester 2020/2021 ist er Inhaber der Stiftungsprofessor in Brand Management für Luxus und High-Value Brands an der Hochschule Pforzheim. In seiner Forschung befasst sich Fastoso mit globalen Marken und internationaler Konsumentenpsychologie, mit der Nachhaltigkeit von Luxusmarken sowie mit Produktfälschungen. Fastoso ist verheiratet und hat drei Kinder.

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