Räume in gelebter Geschichte gestalten

München | Ausgabe 66 | Winter 2023 | Text: Barbara Jahn

Historische Gebäude sind faszinierend modern. Nicht selten überraschen sie mit überzeugend zeitgemäßen Raumproportionen, die das Wohnen auf ein völlig neues Niveau heben. Das Team von Bernd Gruber ließ sich auf eines dieser spannenden Rendezvous mit der Vergangenheit ein.

Nur ein paar Gehminuten vom Englischen Garten und den Isar-Auen entfernt befindet sich das denkmalgeschützte Jugendstilpalais Widenmayer, ein architektonisches Juwel in zentraler Münchner Lage, das mit viel Fingerspitzengefühl kernsaniert wurde und nun in neuem Glanz erstrahlt. Als Teil eines historischen Ensembles im Stadtteil Lehel, der an das Villenviertel Bogenhausen grenzt, wird es gerahmt von charmanten Einkaufsmöglichkeiten und dem Eisbach, der an der Rückseite des Grundstücks verläuft. Empfangen wird man von einem prächtigen Eingangsportal mit anschließendem Stiegenhaus voller architektonischer Details und einem Flur, der zu einem ruhigen französischen Innenhof mit Springbrunnen geleitet.

Das mehrgeschossige Gebäude wurde komplett neu gedacht: Die Hülle wurde unter strengen Auflagen mit starkem Fokus auf Originaltreue behutsam saniert, sein Inneres wurde auf harmonische Weise an die heutigen Anforderungen adaptiert und in neue räumliche Kontexte gebracht. Geblieben sind jedenfalls die beeindruckenden Raumhöhen weit über drei Meter, die das großzügige Flair der Appartements einmal mehr unterstreichen. Das moderne Interior-Design knüpft nahtlos an die großbürgerliche Tradition mit Tafelparkett, Kassettentüren und Stuck an und lässt schließlich eine einzigartige, einladende Wohnatmosphäre entstehen, die den Charakter der Stadt München einfängt und weiterträgt.

Räume entstehen lassen

Von all dem inspiriert, stattete das Team von Bernd Gruber für ein Ehepaar eines dieser Appartements aus. Mit dem Ziel, die höchsten ästhetischen Ansprüche bestmöglich zu erfüllen. Vom Farbtenor sehr erdig gehalten, zieht sich die Farbpalette aus dunklen Holztönen, Beige und Sand sowie Messing und Bronze durch die sehr hohen, geschichtsträchtigen Räume, die die Interiorexperten zum Großteil sehr flexibel gestalteten. Gelungen ist das durch leicht passierbare Trennwände, die den situativen Ansprüchen entgegenkommen und auf diese Weise sehr offene Raumfolgen oder abgetrennte Ruhezonen schaffen. Eine wunderbar inszenierte Raumanordnung, mitten in einem harmonischen Farbkanon von geräucherter Eiche am Boden und gedecktem Off-White an den Wänden, ist das mit Tapeten gestaltete Schlafzimmer, das durch die Ankleide betreten wird. Die Fronten der Schränke sind hier mit Wollstoff bezogen, die eine wohnliche Komponente schaffen. Sanfte Farben dominieren auch das Badezimmer, das im Naturstein Mocca Creme ausgeführt wurde. Während die Badewanne aus Stahl-Emaille ebenfalls in Naturstein gehüllt wurde und so zu einem homogenen Farb- und Materialverlauf beiträgt, ist der Waschtisch aus leicht gebürsteter, dunkler Eiche akzentuiert mit einer Rillenfräsung an den Fronten.

Die Mitte finden

Eine besondere Rolle übernimmt die zentrale Küche, die das Herzstück der Wohnung darstellt. Hier kreuzen sich alle Wege der Wohnung und machen diesen Raum zum geselligen Ort der Begegnung, an dem gekocht, gearbeitet, gelacht und gelebt werden kann. Mit diesem Konzept kehrt die „Kochstelle“ in ihrer Funktion an den Platz ihres Ursprungs zurück: Eine Kochinsel aus brüniertem Edelstahl mit einer Platte aus dem Naturstein Breccia Imperiale verleiht dieser archaischen Geste besonderen Ausdruck. Fast im Kontrast dazu stehen die eleganten Küchenhochschränke aus lackiertem Holz, die im Anschluss per Hand gespachtelt und gestrichen wurden.

All das und auch pointierte Blickfänge wie das transparente Waschbecken im Gästebad aus Cristalmood, einem patentierten Material von Antoniolupi, zaubern eine elegante Wohnbühne für das Ehepaar, dessen Ansprüche durch die vielen charmanten Details und ein raffiniertes, holistisches Konzept zur vollsten Zufriedenheit erfüllt werden konnten.