Couchtisch mit Tablett Raffaella von Poptherapy. www.poptherapy.it
Hamburg | Ausgabe 32 | Herbst 2024 | Text: Barbara Jahn
Ist es Kunst? Ist es Kitsch? Oder doch schon Klassik? Die richtige Antwort auf die Frage kann es eigentlich nicht geben, zu individuell sind die Betrachter. Die einen genießen begeistert, die anderen goutieren es weniger. Das Schöne daran ist jedenfalls, dass Menschen immer ins Gespräch kommen.

Outdoorleuchte Plisy von Diabla. Foto: © Diabla www.diablaoutdoor.com

Stuhl Esqueleto von A Lot of Brasil. Foto: © A Lot of Brasil www.alotofbrasil.com
Kunst ist, wenn man vermeintlich Kitschiges in einen Klassiker verwandeln kann. Gelingen kann das allerdings nur, wenn man die Provokation nicht scheut und sich an einen Grenzgang wagt, dabei aber gewisse Grenzen nicht überschreitet. Schon viele Designer haben dem Mainstream den Rücken gekehrt und eigene Wege eingeschlagen, was bei so manchem Möbelproduzenten auf viel Gegenliebe gestoßen ist. Wer braucht schon noch einen Stuhl mit vier Beinen oder einen weiteren Tisch, bei dem man zwischen rund, eckig oder oval wählen kann? Es wird wohl immer eine Frage des Blickwinkels und der Interpretationsfähigkeit bleiben, wie sehr man sich selbst auf Möbelstücke einlässt, die auf ihre ganz besondere Weise Fragen aufwerfen, Lust erzeugen und sich mehr als Kunstprojekt einstufen lassen als andere.

Stehleuchte Fish Tales von Kenneth Cobonpue. Foto: © Kenneth Cobonpue www.kennethcobonpue.com
Mit einem Augenzwinkern
Menschen, die sich ein so exaltiertes Objekt kaufen, sind geborene Individualisten, insbesondere in ihrer Wahrnehmung. Sie suchen die Aufmerksamkeit und inszenieren sich selbst auf einer surreal wirkenden Bühne, die jeden, der sie betrachtet, zu einer Entdeckungsreise einlädt. Andererseits ist Design, das manche als kitschig bezeichnen, eine Art Ablenkungsmanöver von der vorherrschenden Stringenz, die fast auf allen Ebenen des Lebens verlangt wird. Die Objekte werden zum Sehnsuchtsstiller von verloren geglaubten Idealen, getragen von einer Portion Humor, der im echten Leben ohnehin ziemlich oft zu kurz kommt. Kritik muss man da natürlich miteinkalkulieren, Humorlosigkeit ist jedoch ein No-Go in dieser Angelegenheit.

Sessel Vanity Fair XC von Fornasetti x Poltrona Frau. Foto: © Poltrona Frau www.poltronafrau.com

Tisch Anges von Jumbo Collection. Foto: © Jumbo Collection www.jumbocollection.com
Das geheime Ich
Was in der Modewelt gang und gäbe ist, funktioniert mittlerweile auch bei Möbeln wunderbar. Vielleicht sogar noch besser. Denn wenn sogenannter Kitsch wirklich gut gemacht ist, sind die Übergänge zur Kunstform fließend. Nicht umsonst lassen sich exklusive Möbelhersteller auf derartige Experimente ein, die vielleicht nicht die Geschmäcker aller treffen, aber garantiert für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Außergewöhnliche Möbel und Accessoires sind wohl letztlich auch ein Spiegel der Seele, der – wenn man sensibel genug ist – tief blicken lässt. Blumentapete und Hirschgeweih, Goldengel und Sonnenuntergangsstoff erzählen dann die Geschichten, die man ohne sie vielleicht nie erfahren hätte.

Ohrensessel Green Rabbit von Natuzzi. Foto: © Natuzzi www.natuzzi.com