Projekt Beschreibung

15.02.2021

Der Katalane Ricardo Bofill Levì ist einer der bedeutendsten Architekten unserer Zeit. Historisch wird er der sogenannten Postmoderne zugeordnet. Mit seinen Projekten prägt er Städte und Landschaften. Aber kaum einer stellt dabei die Liebe zum Menschen und seinen ureigensten Bedürfnissen so radikal in den Mittelpunkt wie er. Ebenso wie die Liebe zur Schönheit, zur Harmonie mit Kultur und Landschaft sowie den Respekt vor der Geschichte des jeweiligen Ortes.

Rosa Stufen und das Meer sind die zentralen Themen bei der Architektur von Richardo Bofill.

Woher kommt Ricardo Bofill?

Ricardo Bofill, geb. am 5. Dezember 1939 in Barcelona, wuchs in einer wohlhabenden katalanischen Familie auf. Sein Vater war Bauunternehmer. Seine Mutter stammte aus Italien. Schon von klein auf interessierte er sich für Baukunst. Als junger Mann reiste er nach Andalusien und war von der spanischen Volksarchitektur fasziniert. Sein erstes Haus entwarf er mit 17 Jahren. Während seines Studiums an der Universität Barcelona schloss er sich antiautoritären Aktivisten an. Was unter der Herrschaft des faschistischen Diktators Franco gefährlich war und prompt zu seinem Rauswurf aus der Universität führte. Er musste aus Spanien fliehen. In Genf schließlich konnte er seine Ausbildung an der École d’architecture fortsetzen. Von dort startete er seine Karriere, indem er durch ganz Europa reiste und arbeitete.

W Hotel Barcelona ist das eigentliche Wahrzeichen der Stadt. Fotocredit: Richcardo Bofill

Das W Hotel Barcelona steht am Hafen von Barcelona. Es ist zu einem ikonischen Wahrzeichen für Barcelonas Skyline und Küste geworden. Es wurde als ehrgeizige Ergänzung des Stadterneuerungsplans für die Küstenlinie gebaut und konzipiert. Das 26-stöckige Gebäude bietet von fast allen Gästezimmern aus einen unvergleichlichen Blick auf das Meer und die Stadt. Seine Segel-Form des Gebäudes ist eine für Ricardo Bofill typische Hommage an das Mittelmeer.

Wer ist Ricardo Bofill?

Ricardo Bofill ist ein Künstler. In dem Sinne, dass die Architektur – neben Malerei, Grafik und Bildhauerei – zu den klassischen Gattungen der bildenden oder schönen Kunst gehört. Eine Tatsache, die laut Bofill heutzutage viel zu sehr in Vergessenheit geraten ist.

„Alle internationale Architektur hat nichts zu sagen. Moderne Architektur schaut gleich aus und hat keine Persönlichkeit. Etwas anderes ist nötig.“ Ricardo Bofill

Großeflächige Architektur von Ricardo Bofill.

Les Arcades du Lac. Le Viaduc, 1982, Saint-Quentin-En-Yvelines, Paris. Gesamtfläche: 31,000 m2. Dieses erste große Projekt von RVTA/Ricaro Bofill Taller de Arquitectura im Rahmen der Politik der Villes Nouvelles für die Außenbezirke von Paris. Ganze Städte, die von Grund auf neu geschaffen werden, um die Überlastung des Stadtzentrums zu lindern und ein geordnetes Wachstum zu fördern.

Sein umfangreiches Werk mit seiner sich ständig verändernden Designästhetik schöpft aus seiner Liebe zum gesamten Mittelmeerraum. „Das Mittelmeer ist ein Meer der Tragödie und der Utopie. Alle architektonischen Utopien bis zum 18. Jahrhundert waren um das Mittelmeer angesiedelt. Gleichzeitig ist es ein Meer der Kriege, der Desaster, der Emigration, der Probleme. Und am Mittelmeer, da gibt es eine Qualität des Lebens, die sehr außergewöhnlich ist“, sagt er und bezeichnet sich deshalb als „Nomade des Mittelmeers“.

Zeitlose Schönheit. Architektur von Ricardo Bofill

Ricardo Bofills jahrzehntelange Karriere umfasst mehr als 1000 Gebäude weltweit – von Barcelona, Lissabon und Boston bis Tokio und St. Petersburg. Sein architektonischer Ansatz hat sich im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt und hat in dutzenden Ländern weltweit Landmarks gesetzt.

Was also z.B. Sergiu Celibidache bei den weltberühmten Dirigenten war – ein Meister, der feinste Nuancen und Töne dirigieren und das wahre Wesen einer Partitur erfassen konnte – ist Ricardo Bofill bei den postmodernen Architekten. Kein Zufall also, dass ihm die Werke von Johan Sebastian Bach heutzutage dabei helfen in den Work-Flow zu kommen, sich zu fokussieren. Er selbst bezeichnet in folgendem Video „Energía“ und „Sexualitat“ als die Triebfedern der kreativen Selbstverwirklichung.

Auf jeden Fall kann man Ricardo Bofill als Unangepassten, als Freigeist bezeichnen. Als einen, der auf strikte kreative Selbstverwirklichung beharrt, Schubladen nicht mag und nur die Freiheit und die Bedürfnisse anderer Menschen als Grenze der eigenen Freiheit akzeptiert. Als Grandseigneur, der aus seinen tiefsten Energiequellen schöpft und die perfekte Balance zwischen äußerster Disziplin und größtmöglicher Freiheit gefunden hat. Wie strukturiert, bis ins kleinste Detail stimmig geplant und ausgeführt seine Werke sind, beweisen selbst die „größten“ Projekte des von ihm gegründeten interdisziplinären Architekturbüros Ricardo Bofill Taller de Arquitectura/RBTA.

Architektur und das Meer sind die Themen von Richardo Bofills Architektur.

La Manzanera, Spanien (1962): Im Jahr 1962 begann RBTA mit dem Entwurf eines Masterplans für eine typische Touristenanlage in Alicante. Eigentumswohnungen, Einfamilien-Ferienhäuser, ein kleines Hotel, eine Bar, Restaurants und Sporteinrichtungen wurden zu einem geschlossenen Garten Eden.

Ganz besonders auch das längst zu einem weiteren Wahrzeichen von Barcelona gewordene „W Hotel“ (2010). Das ikonische Bauwerk baut ebenfalls auf dem lokalen Erbe auf. Es zeugt so von der anhaltenden Wertschätzung der mediterranen Wurzeln des Teams. Das segelförmige Gebäude setzt neue Maßstäbe in puncto Einfachheit, Funktionalität und Luxus. Auch damit ist es längst ein einzigartiges Ziel an der neuen Uferpromenade der Stadt geworden.

Richardo Bofill

Zitate von Ricardo Bofill:

  • „Ich mag diese Erscheinung von Luxus nicht. Ich denke Luxus liegt in einem Ort, in einem Lebensstil, aber nicht darin ein goldenes Objekt vor einem Haus zu haben. Ich habe das nie getan, ich tue es nicht und ich mag es nicht“.
  • „Diese spießige Lebensart mit dem traditionellen Haus: Ich habe sie nie wirklich gemocht“.
  • „Ich bin tatsächlich eine Persönlichkeit des Mittelmeers mit Einflüssen aus Italien, aber auch von rund um das Mittelmeer, sogar aus Ägypten und Nordafrika. Ich bin ein Nomade mit Referenzprojekten, von denen die bedeutendsten rund um das Mittelmeer liegen. In Barcelona und ganz speziell in der ‚La Fabrica‘“.
  • „Wo alles auf Perfektion ausgerichtet, ist kann es keine Schönheit geben“.

1973 ließ Ricardo Bofill diese stillgelegte Zementfabrik aus der Jahrhundertwende – mit über 30 Silos, unterirdischen Gängen und riesigen Maschinenräumen – in das Headquarter von Taller de Arquitectura umbauen. Die Arbeiten für die berühmte „La Fabrica“ dauerten zwei Jahre.

„La Fabrica“, das Headquarter von Ricardo Bofill

Schon als Ricardo Bofill Barcelona verlassen musste, sah er Spaniens älteste Zementfabrik, die mit dem höchsten Schornstein die Umwelt verpestete. Als er erfuhr, dass sie geschlossen werden sollte, beschloss er, das Gelände zu kaufen und aus der Dreckschleuder eine Kathedrale lebendiger Architektur zu machen. 1963 gründete er in Barcelona sein Büro Ricardo Bofill Taller de Arquitectura/RBTA und versammelte ein interdisziplinäres Team von Architekten, Soziologen, Philosophen, Mathematikern, Designern, Malern, Filmemachern und Schriftstellern. Das Team etablierte sich mit traditionellen katalanischen Baumethoden, die im Kontrast zu „modernen“ Baukonzepten und Planungsmethoden standen.

„La Fabricca ist eine brutalistische Vision gepaart mit einer romantischen Vision. Sie wird nach geistigen und psychischen Aktivitäten ausgerichtet.“ Ricardo Bofill

Projekte wie das neue Terminal des Flughafens von Barcelona, die Neugestaltung des Place de l’Europe in Luxemburg und der Umbau der stillgelegten Zementfabrik in zentrale Büros für Taller de Arquitectura (ab 1973) folgten. Die berühmte „La Fabrica war“ geboren. Eines seiner wohl persönlichsten und bedeutendsten Projekte Ricardo Bofills. Ein Headquarter, das die „moderne“ Architekturwelt erschüttern und die Welt mit zahlreichen weiteren, faszinierenden Bauwerken begeistern sollte.

Bofills Arbeit in den 1960er Jahren war geprägt von überschwänglichen Farben und geradlinigen Bauwerken entlang der spanischen Ostküste (La Muralla Roja). Ein Jahrzehnt später zeigte seine Arbeit an der Wallfahrtskirche Maritxell mit der Einführung von Kurven und gewölbten Decken eine große Veränderung in seiner Ästhetik. 1971 eröffnete Bofill eine Niederlassung in Paris. In den 1980er Jahren entwickelte er von dort mehrere monumentale Vorortsiedlungen wie z.B. die Espaces d’Abraxas.

Ricardo Bofill

Muralla Roja, Calpe, Spanien: Der Zauber des Mittelmeers in Architektur gegossen

RBTA / Ricardo Bofill Taller de Arquitectura heute

Mehr als fünfzig Jahre nach seiner Gründung steht Ricardo Bofill Taller de Arquitectura immer noch an der Spitze der Stadtplanungs- und Architekturberufe. Das Familienunternehmen wird in dritter Generation von Ricardo Bofill Levi, den Söhnen Ricardo E. Bofill und Pablo Bofill sowie den Partnern Peter Hodgkinson und Jean-Pierre Carniaux geführt. RBTA setzt seinen visionären Humanismus und seine kulturelle Intelligenz in Einrichtungen auf der ganzen Welt ein.

RBTA hat seinen Sitz nach wie vor in der ehemaligen Zementfabrik „La Fábrica” am Stadtrand von Barcelona und besteht aus einem vielfältigen, engagierten Team von Talenten. Die Mitarbeiter kommen aus mehr als zwanzig Ländern und haben unterschiedliche Fachgebiete, von Architekten und Stadtplanern bis hin zu Innenarchitekten, Grafik- und Industriedesignern. Diese multidisziplinäre und globale Perspektive steht damit für eine kulturelle Sensibilität, die die Arbeit des international renommierten Architektur-, Stadtplanungs- und Designbüros prägt.

Ricardo Bofills Integrierter Urbanismus

Vom Hauptsitz in La Fábrica aus führt RBTA/ Ricardo Bofill Taller de Arquitectura den Geist und die Philosophie aus seinen Anfängen in den frühen 1960er Jahren fort. Die Erfahrung mit internationalen Großprojekten, Einzelhandelszentren, Bürokomplexen, Fünf-Sterne-Hotels, Privatwohnungen und städtebaulichen Szenarien führt zu einer neuen Form des integrierten Urbanismus. D.h. einem Ort, an dem sich Stadt, Natur und Geschichte überschneiden. RBTA denkt die Strukturen der Stadt neu, ohne dabei die Wünsche des Einzelnen und die Bedürfnisse der lokalen Kultur zu vernachlässigen.

Ricardo Bofill

RBTA/ Ricardo Bofill Taller de Architectura: Hauptquartier von Christian Dior Parfums in Paris

Das vielfältige Portfolio der RBTA Ricardo Bofill Taller de Arquitectura umfasst städtebauliche Entwicklungen, kommerzielle Projekte, Verkehrsinfrastrukturen, privaten und sozialen Wohnungsbau. Seit den Anfängen und über die Jahrzehnte hinweg haben nationale und internationale Architekturpreise die Einzigartigkeit dieses Ansatzes gewürdigt. Bemerkenswerte Projekte sind unter anderem:

  • Ikonischer Wohnungsbau in Walden 7 (Spanien, 1975)
  • Espaces d’Abraxas (Frankreich, 1982)
  • Wohnsiedlungen Xanadu (Spanien, 1971)
  • La Muralla Roja (Spanien, 1973)
  • Büro- und Firmensitz für Shiseido Ginza (Japan, 2001)
  • Cartier (Frankreich, 2002)
  • Städtebauliche Entwürfe für das Antigone-Viertel (Frankreich, 1999)
  • Moskauer Agglomeration (Russland, 2012)
  • Öffentliche Gebäude wie das Leningrad (Russland, 2013)
  • Mohammed VI Polytechnische Universität (Marokko, 2016)
  • Verkehrsinfrastrukturen für den Flughafen Barcelona (Spanien, 1991/2010)
  • W Hotel Barcelona

Ricardo Bofill verstarb am 14. Januar 2022 in seiner Heimatstadt Barcelona an den Folgen einer Covid-19-Infektion. Er wurde 82 Jahre alt.

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