Projekt Beschreibung

Die Designerin auf ihrem Sessel “Moël” für Ligne Roset (Red Dot Design Award 2007). Foto (Ausschnitt): ©SofiaSanchez-MauroMongiello

STREIFZUG: Madame Sempé, wie haben Sie ihre Leidenschaft für Design entdeckt und wie haben Sie damit begonnen?

Inga Sempé: Ich habe mehr eine Leidenschaft für Objekte und Lebensweisen als für Design. Als Kind habe ich immer einige Modelle von Objekten gebaut.

STREIFZUG: Gibt es Designerinnen und Designer, die für Sie wichtig waren und warum?

Inga Sempé: Nein, nicht so sehr, denn mein Wissen über Objekte stammt vom Flohmarkt, wo die Dinge meistens anonym sind. Ich war einfach beeindruckt von Objekten und Möbeln, aber es interessierte mich nicht, zu wissen, wer sie entworfen hat.

Sofas & Arm-Chairs von Sempé aus ihrer Kollektion Ruche für Ligne Roset, Red Dot Design Award 2010. Fotos: © Studio Sempix/Arm-Chairs & Ligne Roset (Sofas)

STREIFZUG: Wie schwierig war oder ist es für Sie, sich als Frau in einer wohl eher männerdominierten Branche durchzusetzen? Oder hatte das für Sie überhaupt keine Bedeutung?

Inga Sempé: Es mag einige Bedeutung haben, wenn man die Konzentration männlicher Designer für die sehr bekannten Marken sieht. Aber trotzdem schaffe ich es, für interessante Marken zu arbeiten, und ich interessiere mich sehr für Technik, was sehr wichtig ist, wenn man alle Bedürfnisse und Prozesse verstehen will.

Lampen „MATIN“ von Sempé, designed für HAY. Foto: © Studio Sempix

STREIFZUG: Eileen Gray z.B. erhielt erst spät im Ihrem Leben Anerkennung als „Mutter der Moderne“ und Gegenpol zu Le Corbusier. Hat sich, wenn überhaupt, an der Rolle von Frauen im Design aus Ihrer Erfahrung seitdem grundsätzlich etwas geändert?

Inga Sempé: Es ändert sich ein bisschen, aber es ist nicht durchgreifend.

STREIFZUG: Unterscheidet sich aus Ihrer Sicht Design, das von Frauen gestaltet wurde von dem männlicher Designer oder (warum) ist allein diese Frage für Sie vielleicht schon „chauvinistisch“, bzw. belanglos?

Inga Sempé: Das ist irrelevant, da dies eine weitere Einschränkung sein könnte: Man möchte uns glauben machen, dass es ein weibliches Design geben würde, während niemals ein mögliches männliches Design erwähnt wird. Letzteres wird weiterhin einfach als „Design“ präsentiert.

Sofa „Pandarine“ von Sempé für HAY. Foto: © HAY

Inga Sempé: Ich denke, dass einige Männer ein sehr leichtes und anmutiges Design realisieren und einige Frauen einige sehr schwere und wuchtige Designs. Von Frauen erwartet „man“ hingegen eher, dass sie sehr leichte, kurvige und feminine Dinge entwerfen, wenn man den Klischees folgt.

STREIFZUG: Wie würden Sie Ihre Art zu arbeiten beschreiben? Für WEN entwerfen Sie am liebsten?

Inga Sempé: Meine Arbeitsweise ist sehr langsam und klassisch: Zeichnen, Skizzen und Skizzen, Mock-Ups, 3D … und am liebsten arbeite ich für Familienunternehmen, wo man direkt mit dem Chef spricht. Mit jemand, der sich wirklich um sein Unternehmen und seine Kultur kümmert.

Inga Sempé für Alessi: Besteck

Bestecksortiment „Collo Alto“+Handskizze, Inga Sempé 2015 für Alessi. © Studio Sempix

STREIFZUG: „Form follows function“ oder „form follows emotion”?

Inga Sempé: Der erste. Aber die Funktion sollte nicht der einzige formale Ausdruck sein.

STREIFZUG: Wie kommen Sie auf Ihre Ideen und Konzepte, woran denken Sie dabei und welche Aspekte sind Ihnen besonders wichtig?

Inga Sempé: Die Verwendung/der Zweck ist am wichtigsten – zusammen mit Charme.

Inga Sempé Design

„Tutti Frutti“, eine Einzelausstellung mit Skizzen, Modellen und Objekten von Inga Sempé in der Villa Noailles in Hyères (France, 2017). Foto: © Lothaire Hucki

STREIFZUG: Wie wichtig ist es Ihnen, bei Ihren Projekten Nachhaltigkeit zu berücksichtigen?

Inga Sempé: Mein einzig möglicher Weg, sie nachhaltig zu machen, besteht darin, sie so zu konzipieren, dass sie weder Spielereien sind, noch Trends folgen. Dass sie möglichst lange halten, akzeptabel in ihrer Verwendung und in ihren Formen sind. Es ist fast unmöglich, Unternehmen aufzufordern, ihre Produktionsweise zu ändern, wenn sie nicht dazu bereit sind.

Die Kollektion „Filigraani“ von Sempé für Iittala (2022) ist inspiriert von der traditionellen filigranen Glaskunst, die ursprünglich in Murano, Venedig, entwickelt wurde. Sie besteht aus mundgeblasenen Glasschalen. Bild: ©iittala

STREIFZUG: Müssen gerade Designerinnen „Anarchistinnen“ sein, um wirklich das machen zu können, was ihnen wichtig ist?

Inga Sempé: Ich kann nicht sagen, wie Frauen sich verhalten müssen. Ich versuche, sehr direkt zu sein. 

NEU von Inga Sempé: Die Mousqueton-Lampe für HAY. Sie ist eine tragbare LED-Außenlampe. Der Karabinerhaken an der Spitze schafft mehrere Aufhängemöglichkeiten. Credits: © Inga Sempé, © HAY

STREIFZUG: Werden neue Technologien wie z.B. 3D-Druck auch Auswirkungen ihr Design haben?

Inga Sempé: Das haben sie bereits. Wir haben z.B. einen 3D-Drucker für Modelle, um spezielle Kleinteile wie Griffe zu testen. Aber nicht für die Produktion.

“w103f ” Stehleuchte, Inga Sempé für Wästberg, Schweden, 2016. Jedes ihrer Elemente ist modular, um verschiedene Konfigurationen zu ermöglichen. Foto: © Wästberg

STREIFZUG: Künstliche Intelligenzen sollen in Zukunft auch in kreativen Bereichen wie Text, Kunst und Design eine größere Rolle spielen. Was halten Sie davon?

 Inga Sempé: Im Moment: nichts …

Flexible Klemmlampe „w153“ von Inga Sempé für Wästberg (2015). Foto: © Studio Sempix

Flexible Klemmlampe „w153“ von Inga Sempé für Wästberg (2015). Foto: © Studio Sempix

STREIFZUG: Sie waren gerade auf der Stockholm Furniture Fair. Welche neuen Produkte haben Sie dort präsentiert?

Inga Sempé: Auf der Messe in Stockholm habe ich einen Holzhocker namens „Tripot“ für FOGIA und die neue Außenleuchte „Mousqueton“ für HAY vorgestellt.

STREIFZUG: Herzlichen Dank für das Gespräch, Madame Sempé!

Sempés “Tripot”-Familie von leichten Hockern ist in Esche natur oder schwarz lackiert erhältlich. Um den unterschiedlichen Anforderungen sowohl im privaten als auch im Objektbereich gerecht zu werden, gibt es sie in drei verschiedenen Höhen, 460, 650 und 750 mm. Foto: © Inga Sempé

Über Inga Sempé

Inga Sempés herausragende Eigenschaft ist es wohl, Spontanität, spielerische Phantasie, Esprit und außergewöhnlichen Charme mit absoluter, nachhaltiger Funktionalität zu verbinden. Und das alles zu einer erfrischend harmonischen Einheit. Akribische Disziplin und herausragende Materialkenntnis bei der Umsetzung inklusive.

Beispielhaft dafür sind die Lampenmodelle, die sie u.a. für den schwedischen Hersteller Wästberg entworfen hat. Eine Vorliebe für Lampen, die ihr in Frankreich auch den Spitznamen „Madame Lampion“ einbrachte.

Inga Sempé Designerin

Inga Sempé. Foto: © Claire Lavabre

Aber auch ihre originellen Möbel- und Industriedesigns machten sie berühmt. Für den Sessel “Moël” für Ligne Roset bekam sie 2007 den Red Dot Design Award, ebenso für das Sofa “Ruché” (ebenfalls Ligne Roset) im Jahr 2010. Und alle atmen auch diesen besonderen Charme, haben diesen besonderen Esprit. Alle sind unverkennbar „Inga Sempé“.

Inga Sempé Design: Lampen

Lampenmodelle von Inga Sempé aus der „Tutti Frutti“ Einzelausstellung (2017). Foto: © Claire Lavabre

Das beweist auch ihre diesen Herbst (2023) veröffentlichte Kollektion COLUMN für den dänischen Möbelhersteller REFORM. „Mit einem wahrhaftigen Blick über den Tellerrand hat Inga Sempé ein Design geschaffen, das die stereotyp eckige Küche ablehnt und sich stattdessen für eine runde Formgebung entscheidet …“, heißt es dazu u.a. auf der Homepage der Marke. Mehr Infos im Detail unter diesem Link.

Festzuhalten ist, dass Inga Sempés besondere Fähigkeiten also nicht mit der viel benutzten Phrase „Reduktion auf das Wesentliche“ definierbar sind. Sie geht vielmehr schon vom Wesentlichen – der Funktion! – aus und verfeinert es mit sinnvoll-charmanten Details. Konkret bei COLUMN macht es z.B. durchaus funktionalen Sinn, auf runde Formgebung statt auf scharfe, eckige Kanten (Verletzungsgefahr!) zu setzen.

Inga Sempé (Jahrgang 1968, Paris) ist die Tochter der dänischen Grafikerin und Malerin Mette Ivers, (u.a. Illustratorin von Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“) und des französischen Grafikers Jean-Jacques Sempé (u.a. „Der kleine Nick“). Sie studiert an der École nationale supérieure de création industrielle (ENSCI) in Paris und macht 1993 dort ihren Abschluss. Danach ist sie einige Monate für Marc Newson tätig und arbeitet dann zwei Jahre in Paris mit Andrée Putman. 2000 eröffnet sie ihr eigenes Studio in Paris.

2000/2001 bekommt sie ein Stipendium an der Villa Medici (Académie de France) in Rom. 2002 beginnt sie mit den italienischen Firmen Capellini und Edra zu arbeiten. Dann arbeitet sie mit französischen, skandinavischen und anderen italienischen Unternehmen zusammen, darunter: Ligne Roset, LucePlan, Mutina, Wästberg, Alessi, Hay, Moustache, Magis, Iittala

www.ingasempe.fr

Auszeichnungen von Inga Sempé

  • 2003 Grand Prix de la Création en Design der Stadt Paris
  • 2007 Red Dot Design Award (für Moël/Ligne Roset)
  • 2007 Grand Design Award
  • 2010 Red Dot Design Award (für Ruché/Ligne Roset)
  • 2010 Interior Innovation Award Köln
  • 2011 EDIDA (ELLE DECO International Design Award)

15.02.2023 kd

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